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Die Mutter aller Strategien: Stärken stärken

Beim Lesen des Begriffs „Strategie“ denkt man oft: Kenn ich, hab‘ ich schon mal gehört. Man könnte fast meinen, jedes Unternehmen habe die gleiche Strategie: Man wird z.B. lange suchen müssen, bis man einen Geschäftsbericht ohne die Worte „Innovation“ oder „Digitalisierung“ findet. Aber das kann doch wohl nicht alles sein: Strategie = nutzloses, austauschbares Papperlapapp?

Mit der Unternehmensstrategie werden Fähigkeiten (Potentiale) aufgebaut, mit denen die operativen Ziele des Unternehmens (z.B. Rendite > Kapitalkosten oder auch nur Fortbestand) besser erreicht werden können. Konkreter kann man sich das z.B. auch so vorstellen: Mit der richtigen Strategie werden diejenigen Fähigkeiten des Unternehmens entwickelt, die es dem Verkäufer ermöglichen, beim Kunden leichter zum Abschluss zu kommen, durch eine Produktinnovation, die sonst noch keiner hat oder so. 

Jedes Unternehmen hat eine Strategie, nur diese Strategie deckt sich normalerweise nicht unbedingt mit dem Papperlapapp. Wenn man „Strategie“ durch „Selbstverständnis“ ersetzt, kommt man der Sache näher. Ein Unternehmen läuft mehr oder weniger auf Autopilot, weil es seine Fähigkeiten instinktiv kennt, sich immer weiter operativ nach vorne tastet und das Selbstverständnis anpasst: Der Koch eines gut gehenden Speiselokals macht Urlaub in Indien, entdeckt die indische Küche, weiß mit welchen Gewürzen er sich auskennt und irgendwann wird aus dem Restaurant ein überregional bekanntes indisches Lokal. Im Nachhinein wird er der Lokalpresse vielleicht sagen: Ich habe gemeinsam mit McKinsey eine klaffende Marktlücke entdeckt usw. Anderes Beispiel: Die Vertriebszahlen kommen nicht, der Vertriebschef ist in Panik, bis ein Mitarbeiter sagt: „Bevor der ganz ausflippt, mache ich jetzt Haustürgeschäft.“ Irgendwann, nachdem der Mitarbeiter wegen Übertretung diverser Weisungen fast entlassen worden wäre, wird der Transfer der vertrieblichen Fähigkeiten auf das Door-to-Door-Geschäft als Strategie ausgegeben. Alles evolutionär, im Gegensatz zu: Wir werden ein integrierter Technologie-Konzern, obwohl wir eigentlich nur Autos bauen (können).

 

Es gibt vier Säulen einer erfolgversprechenden Strategie, die der Entwicklung von Fähigkeiten dienen:

  • Stärken stärken: Viele Unternehmen laufen auf Autopilot und - nicht gestört durch Papperlapapp – machen die Stärken das Unternehmen oft schon sehr erfolgreich. Interpretiert man das kleingeschriebene „stärken“ aktiv, kann noch etwas draufgesetzt werden. Wenn man die Stärken aktiv und gezielt stärkt (das ist besser als sich auf die Schwächen zu konzentrieren), kann man von strategischem Management sprechen. Dazu muss man die Stärken durch kritische Analyse erkennen. Das hört sich einfacher an als es ist, z.B. bei McDonald: Marke, Produkt, Preis-/Leistungsverhältnis, exzellente Logistik etc. Stimmt alles nicht. Dann zum Standort und der Franchisepartnerwahl. Stimmt auch nicht. Die erfolgreichsten Jahre hatte McDonald, als die Firma einen exklusiven Vertrag mit Disney hatte. In dieser Interpretation war das Steigern der Frequenz durch geschickte Kooperationen die Stärke des Unternehmens. Wie dem auch sei: Die Stärken sind oft verborgen und das Unternehmen braucht die Fähigkeit, diese zu erkennen, nicht so intuitiv wie der „indische Gastwirt“, sondern systematischer und analytischer. Die Firma Vorwerk z.B. ist u.a. sehr erfolgreich mit Staubsaugern und inzwischen auch mit dem Thermomix. Das lehrt: Stärken nicht (nur) im Produkt suchen (das Produkt ist oft austauschbar, so lange es etwas taugt), sondern z.B. auch in der Vertriebsstärke bei einer bestimmten Sorte von Produkten. Ein analytischer Filter könnte das folgende erbracht haben: D2D-Vertrieb von beratungsintensiven, hochpreisigen = provisionsfähigen, haushaltsnahen Produkten. Selbst der Personalbereich kann die wesentliche Stärke sein, oder der Lobbying-Bereich oder das Controlling.
  • Das Lernen lernen: Die eigenen Stärken zu erkennen und weiterzuentwickeln, Fehlentwicklungen zu erkennen, auf Manöver der Konkurrenz zu reagieren usw. erfordert eine ausgeprägte Lernfähigkeit der Organisation. Das setzt vor allem voraus, dass man die eigene Fehlbarkeit einkalkuliert und nicht ewig an Plänen festhält, die nichts taugen: Planung ersetzt den Zufall durch den Irrtum. Das fängt beim aussagekräftigen Reporting über alle wichtigen Kennzahlen an und endet bei einer gelebten Kultur des Lernens, die Risiken immer im Blick: Wie sich die Insolvenz anfühlt, braucht man nicht zu lernen, das ist schon bekannt: sehr schlecht. Das Lernen ist eine strategische Fähigkeit als Voraussetzung für den operativen Erfolg.
  • Auf die Kunden und den Vertrieb hören: Keine Strategie gleicht der anderen, weil kein Unternehmen dem anderen gleicht. Die reine Innensicht kann den Blick auf die Stärken verstellen und verhindert das schnelle Lernen. Stärken sind immer relative Stärken vor Kunde im Vergleich zum Wettbewerb. So banal es sich anhört: Jedes Unternehmen, je größer es wird, muss sich umso mehr zwingen, die Kundensicht einzunehmen. Spricht man mit den Kunden, ergeben sich sehr oft Weiterentwicklungsmöglichkeiten, auf die man vor lauter Betriebsblindheit selbst nicht kommt: Vielleicht schätzen die Kunden weniger die IT-Hardware, die man liefert, vielleicht mehr den persönlichen Service. Service kann man aber auch für Software machen…. Zwischen Kunde und “Restunternehmen” steht der Vertrieb. Er weiß mehr und schneller, wo die strategischen Chancen des Unternehmens liegen als jede Marktforschung und ist deshalb essentiell für das schnelle Lernen. 
  • Den Cash fokussiert einsetzen: Jede Strategie ist nur so gut wie der Investitionsplan: Strategy is about choice. Genauso wichtig wie die Frage, was man macht, ist die Frage, was man nicht macht. Normalerweise soll man weniger im “oder”, sondern vielmehr im “und” denken, nicht so bei der Strategie, denn dummerweise kann man den Euro nur einmal ausgeben und ein Projekt, das man nicht ausreichend finanziert, ist schlimmer als ein Projekt, das man gar nicht finanziert. Das gleiche gilt für alle anderen Ressourcen, die man einsetzt, also vor allem die besten Mitarbeiter. Umso wichtiger ist es, dass man richtig liegt und umso wichtiger ist es, die Punkte 1 – 3 ernst zu nehmen. 

Strategisches Management gehört zu den grundlegenden Fähigkeiten eines erfolgreichen Managers. Es ist darauf gerichtet, die ohnehin im Unternehmen vorhandenen Fähigkeiten systematisch fortzuentwickeln. Inhaltlich geht es um Stärken, die systematisch zu stärken sind, d.h. der Fokus sollte auf den Stärken liegen, nicht auf den Schwächen. Fähigkeiten, die helfen, diese Stärken zu entdecken und zu entwickeln, sind die Lernfähigkeit und die Fähigkeit, auf die Kunden zu hören. Und: Jede Strategie ist nur so gut wie der kompatible, ganzheitliche, realistische Investitionsplan!

 

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