Wir haben gesagt, dass man das aktive Entwickeln von Fähigkeiten als strategisches Management bezeichnen kann, und auch eine Weisheit zum Strategischen erwähnt: Strategy is about choice. Wie nun diese Wahl treffen, wie also in diesem Fall und in allen anderen entscheiden? Nur durch richtiges Entscheiden wird ja auch sichergestellt, dass Führung nicht etwas sinn- und wertfreies bleibt, sondern, dass man in die richtige Richtung führt.
Entscheiden findet im Durcheinander statt, es geht nicht um wissenschaftliche Wahrheit oder ähnliches, sondern um eine Richtungsbestimmung, bei der viele Aspekte auf einen Nenner gebracht werden müssten, die aber nicht (so einfach) auf einen Nenner zu bringen sind: kurzfristig/langfristig, risikoavers/risikofreudig, Unternehmensziele/persönliche Ziele, Kundenzufriedenheit/Kosten usw.
Im Folgenden jetzt ein paar Bausteine, die das Entscheiden im Durcheinander leichter machen sollen:
- An Regeln halten: Man sollte zwei Dinge nicht verwechseln: kalkulierte Risiken eingehen und Regeln (im Sinne von Vorschriften) missachten. Regeln aus Gesetzen und Verordnungen zuvörderst. Das sollte eigentlich selbstverständlich sein, das Problem liegt eher darin, über die Fülle an Regeln den Überblick zu behalten. Hilft aber nichts, denn abgesehen von Strafen, leidet die Reputation eines Unternehmens ganz empfindlich, wenn man gesetzliche Regeln missachtet, egal ob man sie als sinnvoll erachtet oder nicht (Beispiele werden jedem einfallen). Daneben gibt es Regeln des Unternehmens, an die man sich ebenfalls zu halten hat. Die Kollegen müssen sich darauf verlassen können, dass alle nach den Regeln spielen. Wenn Regeln doof sind, muss man sie ändern und darf nicht in Anarchie verfallen. „Spiel-Regeln“, wie ein Markt funktioniert o.ä., können natürlich jederzeit gebrochen werden, aber keine Vorschriften.
- Unsicherheit akzeptieren: Die Zukunft ist ungewiss und Entscheidungen haben meistens mit der näheren oder ferneren Zukunft zu tun. Leider kann niemand in die Zukunft blicken, was man sich aber gerne vormacht, weil es sich besser anfühlt. Am Ende hat man keine rationale Entscheidung, sondern Wunschdenken. „Unsicherheit akzeptieren“ ändert die Art der Entscheidung: Vom „alles oder nichts“, mehr hin zu Optionen, die man ziehen kann oder nicht. Handle/Entscheide im Zweifel so, dass die Anzahl Deiner Optionen netto wächst (nach Heinz von Foerster). "Netto" heißt, dass durch eine (strategische) Entscheidung vielleicht alle bisherigen Optionen wegfallen, aber mehr ganz neue dazukommen. Optionen kosten zwar meistens – im engeren wie im übertragenen Sinne - Geld (z.B. in Form von Bereitstellungszinsen für Kreditlinien), lassen einen aber auch Chancen ergreifen. Mit der größten Unsicherheit ist normalerweise die Nachfrageentwicklung behaftet. Die 0/1-Entscheidung wäre: Fabrik bauen oder gar nicht mitmischen. Dazwischen gibt es die Auftragsproduktion: Bringt weniger Marge (das sind die Kosten der Option), aber auch die Flexibilität, wieder auszusteigen, wenn‘s anders kommt als gedacht. Man spricht von einem robusten Schritt, d.h. von einer Maßnahme, die in den meisten denkbaren Szenarien richtig ist. Damit kommt man noch nicht durchs Leben, aber man schliddert auch nicht in die Insolvenz, nur weil man die eigenen seherischen Fähigkeiten überschätzt hat. Klar, ist schon sehr vorsichtig, konservativ und „Strategy is about choice“ kann manchmal heißen, Wetten zu platzieren mit der Folge, dass man weniger Optionen hat als vorher. Dann hilft die Frage, „was ist das Schlimmste, was passieren kann“, um Chancen zu ergreifen und dabei die Unsicherheit ohne großen Schaden zu handhaben. Entscheidend: Sich nicht für das Orakel von Delphi halten und – wenn man schon Wetten eingeht – dann sollte man es reflektiert tun und den Totalverlust ausschließen!
- Möglichst viele Sichtweisen einbeziehen, besonders die Kundensicht: Das Leben ist komplex und kein Manager kann alles wissen und aus allen Blickwinkeln ein Thema analysieren. Erfahrungsgemäß wird am leichtesten die Kundensicht vergessen, was natürlich ganz verkehrt ist. Als Technik bietet sich das Managed Brainstormingan über viele Hierarchie-Ebenen und Fakultäten hinweg. „Managed“ heisst u.a.: Der Chef ist nicht der Wortführer, er moderiert auch nicht nur, gibt auf der anderen Seite aber auch nicht die ganze Richtung vor. Aber er entscheidet, nicht dadurch, dass er versucht, alles auf einen Nenner zu bringen (was gar nicht geht) und die Lösung zu „errechnen“, sondern durch judgement (Entscheiden ist schon auch eine Kunst). Kundensicht hat Vorfahrt. Für alle Fakultäten werden zulässige Argumente definiert, sonst halten sich die Finanzer immer gleich für die besseren Marketiers.
- Entscheidung versachlichen: Menscheln tut es überall auch beim Entscheiden, mal sind es persönliche Ziele, mal sonstige Befindlichkeiten oder hidden agendas. Aber auch im stillen Kämmerlein muss man sich manchmal in diese Richtung disziplinieren. Diese Tendenzen kann man am besten auf Basis von Business Cases abmildern. Die müssen nicht ganz durchbuchstabiert sein, aber das Prinzip, dass am Ende der cash zählt und dass es Annahmen, ökonomische und mathematische Regeln und so etwas wie Logik gibt, kann als gemeinsame Grundlage hilfreich sein. So manche Position in einem Entscheidungsprozess erweist sich als unhaltbar, wenn man die impliziten Annahmen offenlegt.
- Highlander: In kollektiven Entscheidungsprozessen muss einer entscheiden, es sollte keine harten Vetorechte geben. Klar dokumentiere Inputs für den Entscheider müssen ausreichen, dass er die Sichtweisen z.B. des Finanzbereichs nicht einfach in den Wind schlägt. Braucht man Vetorechte, hat man ein Personalproblem. Das gilt auf allen Hierarchie-Ebenen, wenn es allerdings auf höheren Ebenen ans Eingemachte geht, muss man vielleicht ein paar Sicherheitsroutinen einbauen, aber dass alle überall mitreden und faule Kompromisse produzieren, darf nicht zur Regel werden. Ebenso wenig, dass der Chef alles an sich zieht, weil er davon ausgeht, dass nur er richtig entscheiden kann. Wenn es so wäre, hätte er ein Personalproblem.
- Dokumentieren und lernen: Entscheidungen sollten dokumentiert werden, da sie normalerweise die Grundlage für Ziele und damit die Grundlage von Führungshandlungen sind. Dazu gehören klare und unmissverständliche Zielvorgaben, gegen die dann auch die Exekution gemessen werden kann. Deshalb eindeutige Dokumentation, die auch die Grundlage für das organisationale Lernen ist. Deshalb sollte auch nicht nur die Entscheidung, sondern auch die zugrundeliegenden Annahmen etc. dokumentiert werden. Waren die Annahmen nicht zutreffend, kann und muss neu entschieden werden.
Normalerweise handelt es sich beim Entscheiden nicht um das Lösen von Mathematik-Aufgaben, nicht selten kommen 60/40-Entscheidungen heraus, d.h. es hängt von nicht kontrollierbaren Einflüssen ab, ob sie sich als richtig oder falsch erweisen. Deshalb die Idee, mehr in Optionen zu denken. (Strategische) Wetten sind nicht verboten, man sollte sie aber nicht mit unfehlbaren Prophezeiungen verwechseln. Ein paar Regeln helfen, häufiger richtig zu liegen, keine scheinbar richtigen 100 %-Entscheidungen zu treffen und schon beim Entscheiden mit dem Lernen zu beginnen.
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